Workshops
Im Rahmen der WTAS finden jedes Jahr Workshops zu unterschiedlichen Themen der Autismus-Forschung, aber auch verwandten Themefeldern statt.
Bitte beachten Sie, dass kurzfristige Änderungen am Workshop-Programm möglich sind.
Für die Workshops werden Fortbildungspunkte vergeben, welche wir bei der jeweils zuständigen Ärztekammer beantragen. Die Fortbildungspunkte werden in der Regel ebenfalls von der Psychotherapeutenkammer anerkannt.
Workshops müssen zusätzlich zur Tagung kostenpflichtig gebucht werden.
PACT – Ein elternbasiertes Frühförderprogramm
Luise Poustka, Judith Haaß & Katharina Mickler
Langzeituntersuchungen weisen auf die hohe Bedeutsamkeit einer möglichst frühen Identifikation von Symptomen aus dem autistischen Spektrum hin, um entsprechende therapeutische Interventionen einzuleiten und dadurch die langfristige Entwicklung des Kindes positiv zu beeinflussen (Bradshaw, Steiner, Gengoux & Koegel, 2015).
Für das Kleinkind- und Vorschulalter existieren verschiedene, empirisch evaluierte, verhaltenstherapeutische Frühinterventionsprogramme. In den letzten Jahren hat sich – im Gegensatz zu den ersten Frühfördermodellen nach Lovaas – ein Trend hin zu Programmen entwickelt, die statt einer breit angelegten Zielsymptomatik, den Schwerpunkt auf die frühen Vorläufer der sozialen Kommunikation legen (u.a. geteilte Aufmerksamkeit, Imitation), auf eine kürzere Dauer angelegt sind und in das natürliche Lebensumfeld der Kinder integrierbar sind. Eine dieser Frühinterventionsmethoden ist Peadiatric Autism Communication Therapy (PACT; Aldred, Green, Howlin, Couteur & PACT Therapists, 2018).
PACT ist ein elternzentriertes, auf Videofeedback basierendes, empirisch validiertes Interventionsprogramm zur Verbesserung soziokommunikativer Kompetenzen bei Kindern mit ASS. Im Mittelpunkt der Behandlungsmethode steht das Eltern-Kind-Spiel, welches als Lernumfeld für den Aufbau grundlegender kommunikativer Fertigkeiten in der Eltern-Kind-Dyade (u.a. geteilte Aufmerksamkeit, Synchronizität, Sprache) genutzt wird. Über geleitetes Entdecken im videogestützten Gespräch werden die Eltern in einem angepassten, die Kommunikation ihres Kindes fördernden Umgang unterstützt. In einer Untersuchung von Pickles et al. (2016) zeigte sich im Langzeitverlauf eine stabile Symptomreduktion im Follow-up von über fünf Jahren.
Der Workshop soll eine Einführung in den theoretisch-empirischen Hintergrund sowie das Rational und die Ziele von PACT geben und die praktische Umsetzung anhand konkreter Fallbeispiele erläutern.
Prof. Dr. Luise Poustka ist Ärztliche Direktorin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie – und Psychotherapie am Universitätsklinikum Heidelberg. Ihr klinischer und wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt auf der Erforschung und Behandlung von Autismus-Spektrum-Störungen und sozialer Interaktion. Der Fokus aktueller Studien liegt auf der multidimensionalen Früherkennung von Neuroentwicklungsstörungen ab dem Säuglingsalter bei Kindern mit genetischer Belastung und auf Frühintervention und Kombinationstherapien. Sie ist ausgebildete Verhaltenstherapeutin und Supervisorin, Mitglied der Steuerungsgruppe der Deutschen S3-Leitlinien für Autismus-Spektrum-Störungen, Vorstandsmitglied der wissenschaftlichen Gesellschaft Autismus Spektrum (WGAS) und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (DGKJP). Wissenschaftliche Konsortien: Deutsches Forschungsnetz Psychische Erkrankungen ASD-Net (www.wgas.org), EU-AIMS ( https://www.kcl.ac.uk/research/eu-aims-european-autism-interventions), IMAGEN; Berufenes Mitglied der ExpertInnengruppe „Gesundheit und Resilienz“ des Bundeskanzleramts.
M.Sc. Psych. Judith Haaß ist approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin (Schwerpunkt Verhaltenstherapie) und leitet die Spezialambulanz für Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Heidelberg. In diesem Rahmen bietet sie Diagnostik, Beratung und Behandlungen für Familien mit Kindern und Jugendlichen mit Autismus-Spektrum-Störungen an. Zudem ist sie niedergelassen in eigener psychotherapeutischer Praxis. Zuvor war sie 10 Jahre am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf tätig. Dort arbeitete sie diagnostisch und psychotherapeutisch in der Allgemeinambulanz, der Traumaambulanz sowie der Autismusambulanz der dortigen Kinder- und Jugendpsychiatrie. Seit 2016 ist sie als Dozentin und seit 2020 als Supervisorin tätig.
Dipl.-Psych. Katharina Mickler ist approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin (Schwerpunkt Verhaltenstherapie) und arbeitet in der Allgemeinambulanz und der Autismusambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Heidelberg. In diesem Rahmen bietet sie Diagnostik, Beratung sowie Einzeltherapien für Kinder und Jugendliche mit Störungsbildern aus dem gesamten psychiatrischen Spektrum an, inklusive ASS. Sie hat zuvor am Vivantes Klinikum Friedrichshain in Berlin gearbeitet, sowohl im ambulanten als auch vollstationären akuten Setting, dort u.a. mit diagnostischem Schwerpunkt auf Jugendliche mit Verdacht auf ASS. Ihren beruflichen Start absolvierte sie in der Allgemeinambulanz und der Psychotherapiestation am Ökumenischen Hainich Klinikum in Mühlhausen, Thüringen, wo ihre psychotherapeutische Arbeit systemisch geprägt wurde.
Autistische Schüler:innen verstehen, unterstützen und schulisch fördern
Reinhard Markowetz & Melika Ahmetovic
Lehrkräfte, die Tag für Tag autistische Schüler:innen zu unterrichten und schulisch zu fördern haben stehen vor großen Herausforderungen. Damit Schüler:innen aus dem Autismus Spektrum im System Schule chancengleich qualitativ hochwertige Bildung erfahren, diversifiziert lernen, neurodiversitätssensibel sich entwickeln und sozialisieren können und egalitär in Ihrem So-Sein akzeptiert und in ihrer Identität gestärkt statt beschädigt werden, brauchen Lehrer:innen nicht nur mehr Wissen über Autismus, sondern ein professionelles Höchstmaß an pädagogischer Handlungskompetenz.
In dem Workshop werden deshalb Strategien, Konzepte und spezifische Maßnahmen vorgestellt und aufgezeigt werden, wie diese sich im Unterricht sowohl an Förderschulen als auch an Regelschulen zielführend und nachhaltig wirksam umsetzen lassen. Dabei gilt es nicht nur die Rolle und Bedeutung einer pädagogischen Förderdiagnostik und Förderplanung hervorzuheben, sondern insbesondere auf didaktisch-methodische Aspekte der Umsetzung einer auf Teilhabe abzielenden inklusiven Didaktik einzugehen, zudem ein Rahmenmodell zur schulischen Förderung von autistischen Kindern und Jugendlichen vorzustellen, das die Wirkvariablen für das Gelingen ihrer Erziehung, Bildung und Förderung benennt, zudem darauf aufmerksam macht, was es an Hilfen, Kooperationspartnern und Unterstützungssystemen aber auch an Rahmenbedingungen für das Arbeiten in Netzwerken braucht.
Prof. Dr. Reinhard Markowetz, Real- und Sonderschullehrer, Diplompädagoge und bis 2024 Inhaber des Lehrstuhls für Pädagogik bei Verhaltensstörungen und Autismus einschließlich inklusiver Pädagogik an der Ludwig‐Maximilians‐Universität. Er lehrte und forschte am Institut für Präventions‐, Inklusions‐ und Rehabilitationsforschung zur Inklusion, Teilhabe und sozialen Integration von Menschen mit Behinderungen, Beeinträchtigungen, Lernschwierigkeiten und sozialen Benachteiligungen, Autismus, Krankheit, Soziologie der Behinderten, Freizeit, Wohnen, inklusiver Didaktik und Internationalisierung der Lehrerbildung und ist Autor zahlreicher Bücher und Fachartikel.
Melika Ahmetovic, MPhil, Sonderpädagogin und Doktorandin sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Pädagogik bei Verhaltensstörungen und Autismus einschließlich inklusiver Pädagogik, tätig als Dozentin und Koordinatorin im Erweiterungsstudium Pädagogik bei Autismus-Spektrum für Studierende aller Lehrämter an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie forscht zu schulischer Unterstützung und Förderung von Autist:innen, Unterstützter Kommunikation, Bildungsbiographien und Schulausschluss von Autist:innen sowie zu Netzwerken und Kompetenzmodellen für die professionelle Entwicklung eines neurodiversitätssensiblen Bildungssystems.
Überblick über aktuelle Rechtsgrundlagen zur Sicherstellung einer umfassenden Teilhabe für Menschen mit Autismus
Christian Frese
Die gesetzliche Definition einer „Behinderung“ gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX lautet: Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Autismus-Diagnose, sofern der Betroffene sich darauf berufen möchte, hat regelmäßig die rechtliche Wirkung einer Behinderung nach § 2 SGB IX bzw. im Jugendhilferecht analog nach § 35a Abs.1 Satz 1 SGB VIII. Die Autismus-Diagnose kann also nicht beschränkt werden auf den Begriff der „Krankheit“.
Im gegliederten Rehabilitationsrecht können verschiedene Leistungsträger für die Finanzierung von Bedarfen von Menschen mit Autismus zuständig sein: Die Träger der Eingliederungshilfe, die Träger der Jugendhilfe, die Bundesagentur für Arbeit, die gesetzlichen Krankenkassen und die Rentenversicherung. Im Workshop wird herausgearbeitet, wie angesichts dieser unterschiedlichen Zuständigkeiten zielführende Anträge auf Leistungen gestellt werden können, um die Teilhabe für Menschen mit Autismus umfassend sicherzustellen.
Christian Frese, seit 2004 Justiziar und Geschäftsführer von autismus Deutschland e.V. in Hamburg. Zuvor mehrere Jahre als Rechtsanwalt in Karlsruhe tätig, unter anderem mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Sozialrecht.
Partizipation in der Autismusforschung – von der Idee zur Umsetzung
Tobias Schuwerk & Eva Stucki
Partizipation wird zunehmend zu einem wichtigen Qualitätsmerkmal moderner Forschung – vor allem auch in der Autismusforschung. Der Workshop gibt einen Überblick über theoretische Grundlagen und konkrete Formen partizipativer Zusammenarbeit, bei der autistische und nichtautistische Personen gemeinsam Forschung gestalten und umsetzen. Anhand zweier Beispiele, des Partizipativen Forschungsnetzwerks Autismus in der Schweiz (PFAU) und des Forums für partizipative Autismusforschung Heureka! in München, werden praktische Erfahrungen, Chancen und Herausforderungen partizipativer Projekte vorgestellt. Im Anschluss werden Möglichkeiten diskutiert, wie Teilnehmende selbst partizipative Elemente in ihre Forschung integrieren können. Ein optionaler „Hands-on“-Teil bietet Gelegenheit, eigene Ideen und Projekte im Austausch weiterzuentwickeln.
Prof. Dr. Tobias Schuwerk ist akademischer Oberrat an der Ludwig-Maximilians-Universität München und psychologischer Psychotherapeut für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Entwicklung sozialer Kognition, Autismus und partizipativen Forschungsansätzen. Er leitet das partizipative Forschungsforum Heureka!
MA Eva Stucki ist Sozialpädagogin und arbeitet mit Menschen im Autismus-Spektrum. Begleitend zu ihrer Berufstätigkeit studiert sie im Master Psychologie an der Universität Bern, ist Mitglied der Steuerungsgruppe des Partizipativen Forschungsnetzwerk Autismus Schweiz (PFAU) und im Vorstand von Aspies Deutschschweiz. Als Autistin ist es ihr wichtig, die Forschung an den Bedürfnissen der Personen im Autismus-Spektrum zu orientieren.
Verhaltenstherapie bei Kindern und Jugendlichen im Autismus-Spektrum
Karolin Lößlein
Der Workshop fokussiert die verhaltenstherapeutische Behandlung von Kindern und Jugendlichen im Autismus-Spektrum, die zusätzlich klinisch relevante Belastungssymptome wie Angststörungen, depressive Verstimmungen, Zwangssymptomatik oder weitere komorbide Problemlagen aufweisen. Anhand praxisnaher Fallbeispiele werden zentrale diagnostische und therapeutische Vorgehensweisen der Verhaltenstherapie vorgestellt. Die Teilnehmenden erhalten Einblicke in typische Zugangswege zur psychotherapeutischen Sprechstunde, in die Gestaltung probatorischer Sitzungen sowie in eine strukturierte Therapieplanung. Darüber hinaus werden unterschiedliche Therapieprozesse im Einzel- und Gruppensetting präsentiert und gemeinsam diskutiert.
Dr. phil. Karolin Lößlein ist seit 2013 als Akademische Rätin an der Ludwig-Maximilians-Universität München am Lehrstuhl für Pädagogik bei Verhaltensstörungen und Autismus einschließlich inklusiver Pädagogik tätig. Zudem ist sie approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin mit Fachrichtung Verhaltenstherapie und in eigener Praxis niedergelassen.
Autismus und Beruf
Julia Proft
Häufig sind nicht fehlende fachliche Kompetenzen, sondern Herausforderungen in der sozialen Interaktion und Kommunikation sowie eine besondere sensorische Wahrnehmung die Faktoren, die zu Schwierigkeiten im Berufsleben vieler Menschen im Autismus-Spektrum führen. Auftreten und Ausprägung aller als autistisch geltenden Merkmale können individuell variieren. In vielen Fällen können sich hieraus spezielle Anforderungen an einen Arbeitsplatz ergeben. Im Rahmen des Workshops erhalten die Teilnehmenden zunächst einen Überblick über mögliche Auswirkungen von Autismus im Erwachsenenalter auf die gesellschaftliche und berufliche Teilhabe. Einflussfaktoren, die sich hinderlich oder förderlich auf eine berufliche Tätigkeit auswirken können, werden vorgestellt und diskutiert. Des Weiteren werden Einblicke in Maßnahmen der beruflichen Förderung und Eingliederung für Betroffene und Arbeitgeber*innen gegeben. Anhand von Fallbeispielen aus der Praxis sollen Unterstützungsmöglichkeiten für die Bereiche berufliche (Wieder-)Eingliederung und berufliche Sicherung diskutiert und Erfahrungen ausgetauscht werden.
Dr. Julia Proft ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Spezialambulanz für Autismus im Erwachsenenalter der Uniklinik Köln. In ihrer Forschung fokussierte sie sich auf die berufliche Integration von Menschen mit Autismus-Spektrum Störung. Von 2014 bis 2017 begleitete sie das Modellprojekt „Autismus und Beruf“ (LVR, Uniklinik Köln, ProjektRouter gGmbH). Als freiberufliche Mitarbeiterin unterstützte sie u.a. in Form von Coaching- und Beratungsangeboten autistische Arbeitnehmer*innen und deren Arbeitgeber*innen.
Ambulante psychotherapeutische Versorgung Erwachsener mit ASS
Bettina Bergau
Der Workshop befasst sich mit Angeboten in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung Erwachsener mit ASS. Dabei werden einerseits bestehende Behandlungskonzepte sowohl im Einzel- als auch im Gruppensetting vorgestellt, andererseits wird auch auf die Frage eingegangen, wie mit der wachsenden Nachfrage an psychotherapeutischen Versorgungsangeboten umgegangen werden kann. In der gemeinsamen Diskussionsrunde sollen schließlich Ideen und Erfahrungen der Workshopteilnehmenden mit einfließen.
Frau Dr. Dipl.-Psych. Bettina Bergau arbeitet in der Nähe von München als psychologische Psychotherapeutin (VT) in eigener Praxis. In den vergangenen Jahren arbeitete sie schwerpunktmäßig mit Erwachsenen mit ASS sowohl im psychotherapeutischen Einzel- und Gruppensetting als auch in der psychotherapeutischen Grundversorgung. Sie konzipierte außerdem für Autismus Oberbayern e.V. ein Elterntraining für Eltern autistischer Kinder und war für den Verein beratend tätig.
Frühe Diagnostik von Autismus-Spektrum-Störungen bei Kleinkindern – Je früher je besser?
Inge Kamp-Becker & Luise Poustka
Erste Symptome einer Autismus-Spektrum-Störung bemerken Eltern oft schon im ersten oder zweiten Lebensjahr ihres Kindes, jedoch dauert es bis zur korrekten Diagnosestellung in Deutschland durchschnittlich 6 ½ Jahre (± 37 Monate) und ist im Vergleich zu anderen Ländern sehr spät. Bekannt ist, dass eine frühe Diagnose bei Kindern mit einem früheren Beginn der Interventionen und damit mit einem besseren Outcome im Schulalter einhergeht. Daher besteht dringender Handlungsbedarf diese Situation in Deutschland zu verbessern. In diesem Workshop wollen wir allen Interessierten, die mit jungen Kindern arbeiten, grundlegende Kenntnisse bezüglich der Frühdiagnostik des Autismus vermitteln. Dabei geht es darum, zu klären warum eine frühe Diagnose wichtig ist. Bei wem ist eine frühe Diagnostik sinnvoll und ab welchem Alter kann die Diagnose oder der Verdacht auf Vorliegen von Autismus gestellt werden. Welche Auffälligkeiten und Symptome sind dabei relevant und sollten daher intensiv in Betracht gezogen werden? Mit welchen diagnostischen Methoden sollte vorgegangen werden? Entsprechende Screening-Verfahren sowie Verhaltensbeobachtungsmethoden werden vorgestellt, diskutiert und geübt anhand von Demonstrationen, Fallbeispielen, Videomaterial usw.
Prof. Dr. Inge Kamp-Becker ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie – und Psychotherapie, Universitätsklinikum Heidelberg und beschäftigt sich seit über 20 Jahren sowohl in wissenschaftlicher, als auch klinischer Sicht mit der Thematik Autismus-Spektrum-Störungen. Sie hat lange Jahre eine Spezialambulanz für Autismus-Spektrum-Störungen geleitet und koordiniert mehrere multizentrische Forschungsprojekte. Bei ihrer Forschung handelt es sich um klinisch relevante Forschungsfragen, die die frühe, valide Identifikation und Behandlung von Autismus zum Ziel haben. Sie ist zertifizierte ADOS-Trainerin und beschäftigt sich insbesondere mit diagnostischen, differentialdiagnostischen und therapeutischen Aspekten des Störungsbildes Autismus. Sie ist Mitglied der Steuergruppe der AWMF- S3- Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der Autismus-Spektrum-Störungen und Vorstandsmitglied der wissenschaftlichen Gesellschaft für Autismus.
Prof. Dr. Luise Poustka ist Ärztliche Direktorin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie – und Psychotherapie am Universitätsklinikum Heidelberg. Ihr klinischer und wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt auf der Erforschung und Behandlung von Autismus-Spektrum-Störungen und sozialer Interaktion. Der Fokus aktueller Studien liegt auf der multidimensionalen Früherkennung von Neuroentwicklungsstörungen ab dem Säuglingsalter bei Kindern mit genetischer Belastung und auf Frühintervention und Kombinationstherapien. Sie ist ausgebildete Verhaltenstherapeutin und Supervisorin, Mitglied der Steuerungsgruppe der Deutschen S3-Leitlinien für Autismus-Spektrum-Störungen, Vorstandsmitglied der wissenschaftlichen Gesellschaft Autismus Spektrum (WGAS) und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (DGKJP) sowie Mitglied der ExpertInnengruppe „Gesundheit und Resilienz“ des Bundeskanzleramts.
HEIDELKIDS – Frühkindliche Entwicklung bei Kindern mit Autismus
Martin Schulte-Rüther & Peter Marschik
Die Früherkennung und Diagnostik, sowie die Beurteilung von Symptomveränderungen im Entwicklungsverlauf stellen eine herausfordernde Aufgabe bei Entwicklungsstörungen wie z.B. Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) dar. Detaillierte, quantitative Methoden zur Erfassung von Entwicklungsmerkmalen, die der späteren Symptomatik vorausgehen und die Prognose von Verläufen ermöglichen (sollen) sind essenziell für die Etablierung von effizienten, individualisierten Behandlungskonzepten, stehen jedoch nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung.
Der Workshop präsentiert beispielhafte Ansätze zur Erforschung innovativer multimodaler Analysemethoden mit denen altersspezifische verhaltensbasierte Symptome quantitativ erfasst werden können. Dabei wird das Potenzial für die Grundlagenforschung zur Ätiologie von Entwicklungsstörungen, die Bedeutung der Quantifizierung von Symptomprofilen und Implikationen für präzisierte klinische Diagnostik und Verlaufsbeschreibung diskutiert.
Es werden Untersuchungsansätze zu Entwicklungsverläufen bei Säuglingen mittels multimodaler Sensor- und Videodaten vorgestellt, nicht-invasive Technologien zur Erfassung früher Indikatoren von motorischer, sozialer, visueller und verbaler Entwicklung, was die frühzeitige Erkennung potenzieller Entwicklungsveränderungen und damit die Vorhersage von Entwicklungsverläufen ermöglicht. Außerdem demonstrieren wir Ansätze für die differenzierte Analyse sozialer Interaktion mit Hilfe von mobilem Eye-Tracking und videobasierter Analyse von Gesichtsausdrücken und Gesten. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der quantitativen Charakterisierung non-verbaler Kommunikation während dyadischer Interaktionen, um das komplexe Zusammenspiel multimodaler sozialer Interaktionssignale und deren Bedeutung für die Weiterentwicklung diagnostischer Verfahren zu beleuchten. Entsprechende Verfahren zur Verhaltensbeobachtung werden vorgestellt, diskutiert und anhand von Demonstrationen, Fallbeispielen, Videomaterial usw. gemeinsam erarbeitet und im Kontext der Translationalität diskutiert.
Dr. rer. nat. Martin Schulte-Rüther ist Arbeitsgruppenleiter an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Heidelberg. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit Autismus-Spektrum-Störungen und der Entwicklung sozialer Kognition und Interaktion vom Kindes- bis zum jungen Erwachsenenalter sowie der assoziierten neuronalen Mechanismen. Ein Schwerpunkt liegt auf der multimodalen, quantitativen Erfassung sozialer Verhaltensweisen (unter anderem mit mobilem Eye-Tracking, Video- und Sensordaten), um Körpersprache, Blickverhalten und nonverbale Kommunikation von Kindern und Jugendlichen objektiv messbar zu machen. Ein Ziel ist dabei, verlässliche, quantitative Messverfahren zu entwickeln, die zu einer früheren und präziseren Diagnose sowie zu individualisierten Förder- und Behandlungsangeboten für Kinder und Jugendliche im Autismus-Spektrum beitragen können. Er ist zertifizierter ADOS-Trainer und Vorstandsmitglied der wissenschaftlichen Gesellschaft Autismus-Spektrum.
Prof. Dr. Dr. Peter Marschik leitet gemeinsam mit Prof. Dr. Luise Poustka die Forschungsabteilung an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie- und Psychotherapie am Universitätsklinikum Heidelberg. Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt in der Erforschung frühkindlicher Entwicklung und der Früherkennung von spät erkannten Entwicklungsstörungen. Aktuelle Studien beschäftigen sich mit der multidimensionalen Früherkennung von Neuroentwicklungsstörungen ab dem Säuglingsalter. Die von ihm geleitete Arbeitsgruppe Systemische Ethologie und Entwicklungswissenschaft (SEE) ist sehr interdisziplinär ausgerichtet, verbindet verhaltensphysiologische, neuroethologische und entwicklungspsychopathologische Aspekte mit moderner Technologieentwicklung zum Deep Phenotyping und Entwicklungsdiagnostik. Peter Marschik leitet internationale Arbeitsgruppen und Projekte (u.a., COST Action 22111) und ist PI in nationalen Forschungsverbünden (SFB Cognition of Interaction) und Konsortien wie dem Deutschen Zentrum für Kinder- und Jugendgesundheit (DZKJ) und dem Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG).
Herausforderndes Verhalten bei Kindern und Jugendlichen mit Intelligenzminderung: Ursachen und Behandlungsoptionen
Julia Geissler & Tanja Zierhut
Kinder mit Autismus-Spektrum-Störungen zeigen häufig expansives oder herausforderndes Verhalten – etwa selbstverletzendes oder aggressives Verhalten oder starke Verweigerung. Dieses Verhalten beeinträchtigt nicht nur Lernprozesse und die Entwicklung von Selbstständigkeit, sondern stellen für die betroffenen Kinder und ihre Familien ein gravierendes Hindernis für eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe dar. Hinter diesen Verhaltensmustern steht häufig hohe emotionale Anspannung, die entsteht, wenn die Kinder Schwierigkeiten, Bedürfnisse und Gefühle nicht angemessen ausdrücken können. Sowohl den Kindern als auch ihren Bezugspersonen fehlen oft angemessene Strategien, um die Ursachen zu erkennen und zu adressieren.
Im Workshop wird ein Überblick über häufige Risiko- und Ursachenfaktoren für herausforderndes Verhalten vermittelt. An Hand von Fallbeispielen aus dem ambulanten Setting sowie der stationären Behandlung in einer Spezialklinik für Kinder mit Mehrfachbehinderung werden individuelle Ursachenanalysen vorgestellt. Strategien zum präventiven Umgang mit herausforderndem Verhalten und zur Adressierung der Ursachen werden ausführlich thematisiert. Als Ausblick wird die im Rahmen eines Forschungsprojektes entwickelte Smartphone-App ProVIA-Kids als niederschwelliges digitales Werkzeug vorgestellt, die Betreuungspersonen in der Ursachenerkennung und der Anwendung von Strategien unterstützt.
Julia Geissler ist als Psychologische Psychotherapeutin (VT) in der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Würzburg tätig. Ihre Promotion schloss sie 2013 ab. Neben der klinischen Tätigkeit im Bereich Autismus-Spektrum-Störungen leitet sie die Arbeitsgruppe Komplexe Entwicklungsstörungen und verantwortet diverse Forschungsprojekte zu den Themen ASS und Kognitive Entwicklungsstörungen.
Tanja Zierhut ist Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und arbeitet an der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Würzburg. Ihre Promotion schloss sie 2007 ab. Sie leitet oberärztlich die Klinik am Greinberg, eine Spezialklinik für Kinder und Jugendliche mit Schwer- und Mehrfachbehinderung bei akuter psychiatrischer Erkrankung.
Therapiebegleitende Elternarbeit bei Autismus-Spektrum-Störungen
Karoline Teufel & Ziyon Kim
Eltern eines Kindes aus dem Autismus-Spektrum erleben im Alltag zahlreiche Herausforderungen und bringen entsprechend vielfältige Fragen, Sorgen und auch Prioritäten in die Therapie mit ein, zu denen sie Beratung und Anleitung benötigen. Sie sollten in die Therapie ihres Kindes/Jugendlichen einbezogen werden, um in einem förderlichen Umgang mit dessen Besonderheiten gestärkt zu werden. So können sie sicherstellen, dass neu gelernte Kompetenzen ihres Kindes auch in seine verschiedenen Lebensfelder übertragen werden (Generalisierung). Eine wirksame Zusammenarbeit zwischen TherapeutInnen und Eltern stellt somit einen wichtigen Einflussfaktor für gelingende Therapie dar. Diese therapiebegleitende Elternarbeit erfordert von TherapeutInnen nicht nur eine besondere Sensibilität, sondern auch fundierte Fachkenntnisse und spezifische Konzepte. In diesem Workshop für Fachpersonen werden Methoden der therapiebegleitenden Elternarbeit vorgestellt, die sich als wirksam erwiesen haben und geeignet sind den Therapieverlauf positiv zu beeinflussen. Dabei werden anhand praktischer Beispiele konkrete Werkzeuge und hilfreiche Vorgehensweisen für eine gelingende Zusammenarbeit vorgestellt.
Dipl. Psych. Karoline Teufel ist Diplom-Psychologin und war in verschiedenen Einrichtungen mit unterschiedlichen Therapieansätzen für Autismus-Spektrum-Störungen tätig. Seit 2015 arbeitet sie in leitender Funktion im Autismus-Therapie- und Forschungszentrum der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Goethe-Universität Frankfurt. Ihr besonderes Anliegen ist es, die Erkenntnisse aus der entwicklungspsychologischen und klinischen Forschung zu integrieren, um Kinder und Jugendliche aus dem Autismus-Spektrum und ihre Familien mit evidenzbasierten Maßnahmen zu unterstützen. Sie war federführend an der Entwicklung des Frankfurter Frühinterventionsprogramms für Kinder mit Autismus (A-FFIP) beteiligt.
Dr. Ziyon Kim ist als Therapeutin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Autismus-Therapie- und Forschungszentrum des Universitätsklinikums Frankfurt am Main tätig. Neben der therapeutischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit Autismus und ihren Familien führt sie auch Elterntrainings durch. Sie leitete als Projektmanagerin die DFG-geförderte A-FFIP Studie. Ziyon Kim studierte Psychologie in Seoul, Korea und promovierte im Bereich der Entwicklungspsychologie in Frankfurt zu Imitation bei Kleinkindern. Ein Interessenschwerpunkt liegt auf der Förderung von frühkindlichen Vorläuferfertigkeiten, die im Rahmen von Autismus besonders bedeutsam sind.

