Workshops
Im Rahmen der WTAS finden jedes Jahr Workshops zu unterschiedlichen Themen der Autismus-Forschung, aber auch verwandten Themefeldern statt.
Die Workshops müssen zusätzlich zur Tagung kostenpflichtig gebucht werden. Die Teilnahme an der WTAS ist verpflichtend, um sich für einen Workshop registrieren zu können.
Bitte beachten Sie, dass kurzfristige Änderungen am Workshop-Programm möglich sind.
Für die Workshops werden Fortbildungspunkte vergeben, welche wir bei der jeweils zuständigen Ärztekammer beantragen. Die Fortbildungspunkte werden in der Regel ebenfalls von der Psychotherapeutenkammer anerkannt.
Autismus-Spektrum-Störungen bei Menschen mit Störung der Intelligenzentwicklung
Marlene Tergeist & Peer C. Keller
Ungefähr ein Drittel der Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) weisen zugleich eine Störung der Intelligenzentwicklung auf, liegen also mindestens zwei Standardabweichungen unter der Normintelligenz. Die ASS-Prävalenz ist dementsprechend bei Menschen mit Störung der Intelligenzentwicklung (~15%) gegenüber der Allgemeinbevölkerung (~1-2%) deutlich erhöht, wobei mit steigendem Schweregrad der Störung der Intelligenzentwicklung die Häufigkeit zunimmt.
ASS und die Störung der Intelligenzentwicklung überschneiden sich in den zugrundeliegenden Syndromen, beide sind im ICD-11 als neuronale Entwicklungsstörungen klassifiziert. Dies macht die exakte Differenzierung der Störungen schwierig. Wieso diese Differenzierung dennoch von großer Bedeutung ist, wie eine adäquate Diagnostik in der Zielgruppe erfolgt, welche Besonderheiten in der therapeutischen Versorgung beachtet werden müssen und warum es speziell auch die sozio-emotionale Entwicklung zu berücksichtigen gilt; all dies wird in diesem Workshop anschaulich vermittelt. Uns ist dabei ein Erfahrungsaustausch sehr wichtig, somit sind weitreichende Fragen und eigene Beispiele aus dem Teilnehmendenkreis herzlich willkommen
Marlene Tergeist, M. Sc. Psychologin und Psychotherapeutin (VT), ist psychologische Leitung am Universitätsklinikum für inklusive Medizin, Krankenhaus Mara in Bielefeld-Bethel unter der Leitung von Prof. Dr. Tanja Sappok. Klinische und wissenschaftliche Schwerpunkte sind die Diagnostik von ASS bei Erwachsenen mit Störung der Intelligenzentwicklung. Insbesondere war sie an der Validierung der Musikbasierten Skala zur Autismus Diagnostik und der Entwicklung einer ökonomischeren Kurzversion beteiligt. Neben der alltäglichen klinischen psychotherapeutischen Versorgung von Erwachsenen mit Störung der Intelligenzentwicklung und einer psychischen Erkrankung beschäftigt sie sich wissenschaftlich mit gruppenpsychotherapeutischen Behandlungsansätzen für diesen Personenkreis.
Peer C. Keller, M. Sc. Psychologe, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Universitätsklinikum für inklusive Medizin, Krankenhaus Mara in Bielefeld-Bethel unter der Leitung von Prof. Dr. Tanja Sappok. Sein Arbeits- und Forschungsschwerpunkt ist die Diagnostik von ASS bei Menschen mit Störung der Intelligenzentwicklung. Gegenwärtig baut er ein soziales Interaktionslabor am Standort auf.
Psychotherapie bei Erwachsenen im Autismus-Spektrum – ein praxisnaher Zugang zu kognitiv-verhaltenstherapeutischen Interventionen
Heiko Thomas Bartels & Johanna Popp
Erwachsene im Autismus-Spektrum sind in der psychotherapeutischen Versorgung nach wie vor unterversorgt, therapeutische Angebote sind trotz Prävalenzen von 1-3% nur vereinzelt zu finden. Aufgrund von Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion, erhöhtem Stresserleben, Sinnessensibilitäten und ständigen Anpassungs- und Kompensationsleistungen kommt es bei Betroffenen jedoch häufig zu Belastungen bis hin zu komorbiden Depressionen oder Angststörungen mit weitreichenden psychosozialen Folgen, die die Selbstständigkeit und Teilhabe am Alltags- und Erwerbsleben gefährden oder einschränken. In vielen Fällen ist daher eine ambulante Psychotherapie sinnvoll und indiziert.
In diesem Workshop sollen Interventionen für die Psychotherapie mit Erwachsenen im Autismus-Spektrum ohne intellektuelle Entwicklungsstörung vermittelt werden. Dabei dient die kognitive Verhaltenstherapie als Rahmenmodell für Techniken in den Bereichen Psychoedukation, Selbstwert und Selbstakzeptanz, Stressmanagement sowie soziale und emotionale Kompetenzen. Weiterhin wird auf Besonderheiten in den Rahmenbedingungen der Therapie aber auch in der Kommunikation und therapeutischen Beziehungsgestaltung eingegangen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf einer praxisnahen Vermittlung und dem Üben von Interventionen, welche sich vor allem am Manual von Dziobek & Stoll „Hochfunktionaler Autismus bei Erwachsenen“ (2024) orientieren.
Teilnehmende sollen ermutigt und befähigt werden, mit dieser Patient*innengruppe zu arbeiten, Hemmungen oder Unsicherheiten diesbezüglich sollen abgebaut und damit dazu beigetragen werden, die Versorgungslage von AutistInnen zu verbessern.
Heiko Thomas Bartels ist psychologischer Psychotherapeut mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie, arbeitet als Forschungstherapeut an der Spezialambulanz für Soziale Interaktion der Humboldt Universität zu Berlin und ist angestellt in einer psychotherapeutischen Praxis in Berlin Lichtenberg. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der psychologischen und psychotherapeutischen Behandlung, Beratung und Begleitung von Menschen mit verschiedensten psychischen Erkrankungen und Störungsbildern und hat u.a. mehrere Jahre als Psychologe in einer psychiatrischen Akutklinik sowie als psychologischer Fachberater in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen gearbeitet. Sein besonderes Interesse gilt der Diagnostik und Psychotherapie im Bereich Autismus/ Neurodiversität.
Johanna Popp ist psychologische Psychotherapeutin mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie und arbeitet als Forschungstherapeutin an der Spezialambulanz für Soziale Interaktion der Humboldt Universität zu Berlin. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist dort die Durchführung von Einzeltherapien mit erwachsenen Personen im Autismus-Spektrum. Weiterhin hat sie Erfahrung in der Diagnostik von Autismus und hat Gruppentherapien nach dem FASTER-Konzept angeleitet. Sie ist außerdem selbstständig in einer Praxis tätig sowie Dozentin an der BerlinerFortbildungsAkademie (BFA) und am Institut für Integrative Psychotherapieausbildung Berlin (IPB).
Workshop zur schulischen Bildung
Reinhard Markowetz & Melika Ahmetovic
Lehrkräfte, die Tag für Tag autistische Schüler/-innen zu unterrichten und schulisch zu fördern haben stehen vor großen Herausforderungen. Damit Schüler/-innen aus dem Autismus Spektrum im System Schule chancengleich qualitativ hochwertige Bildung erfahren, diversifiziert lernen, neurodiversitätssensibel sich entwickeln und sozialisieren können und egalitär in Ihrem So-Sein akzeptiert und in ihrer Identität gestärkt statt beschädigt werden, brauchen Lehrer/-innen nicht nur mehr Wissen über Autismus, sondern ein professionelles Höchstmaß an pädagogischer Handlungskompetenz.
In dem Workshop wird deshalb kurz auf die gesetzlichen Nachteilsausgleich eingegangen, wie sie der Leistungsfeststellung dienen, bevor dann Autismus spezifische Maßnahmen vorgestellt und aufgezeigt werden, wie diese sich im Unterricht sowohl an Förderschulen als auch an Regelschulen zielführend und nachhaltig wirksam umsetzen lassen. Dabei gilt es nicht nur die Rolle und Bedeutung der Förderdiagnostik und Förderplanung hervorzuheben, sondern auch auf didaktisch-methodische Aspekte der Umsetzung einer auf Teilhabe abzielenden inklusiven Didaktik einzugehen, zudem ein Rahmenmodell zur schulischen Förderung von autistischen Kindern und Jugendlichen vorzustellen, das die Wirkvariablen für das Gelingen ihrer Erziehung, Bildung und Förderung benennt, zudem darauf aufmerksam macht, was es an Hilfen, Kooperationspartnern und Unterstützungssystemen aber auch an Rahmenbedingungen für das Arbeiten in Netzwerken braucht.
Prof. Dr. Reinhard Markowetz, Real- und Sonderschullehrer, Diplompädagoge und bis 2024 Inhaber des Lehrstuhls für Pädagogik bei Verhaltensstörungen und Autismus einschließlich inklusiver Pädagogik an der Ludwig‐Maximilians‐Universität. Er lehrt und forscht am Institut für Präventions‐, Inklusions‐ und Rehabilitationsforschung zur Inklusion, Teilhabe und sozialen Integration von Menschen mit Behinderungen, Beeinträchtigungen, Lernschwierigkeiten und sozialen Benachteiligungen, Autismus, Krankheit, Soziologie der Behinderten, Freizeit, Wohnen, inklusiver Didaktik und Internationalisierung der Lehrerbildung und ist Autor zahlreicher Bücher und Fachartikel.
Melika Ahmetovic, MPhil, Sonderpädagogin und Doktorandin sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Pädagogik bei Verhaltensstörungen und Autismus einschließlich inklusiver Pädagogik, tätig als Dozentin und Koordinatorin im Erweiterungsstudium Pädagogik bei Autismus-Spektrum für Studierende aller Lehrämter an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie forscht zu schulischer Unterstützung und Förderung von Autist:innen, Unterstützter Kommunikation, Bildungsbiographien und Schulausschluss von Autist:innen sowie zu Netzwerken und Kompetenzmodellen für die professionelle Entwicklung eines neurodiversitätssensiblen Bildungssystems.
Überblick über aktuelle Rechtsgrundlagen zur Sicherstellung einer umfassenden Teilhabe für Menschen mit Autismus
Christian Frese
Die gesetzliche Definition einer „Behinderung“ gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX lautet: Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Autismus-Diagnose, sofern der Betroffene sich darauf berufen möchte, hat regelmäßig die rechtliche Wirkung einer Behinderung nach § 2 SGB IX bzw. im Jugendhilferecht analog nach § 35a Abs.1 Satz 1 SGB VIII. Die Autismus-Diagnose kann also nicht beschränkt werden auf den Begriff der „Krankheit“.
Im gegliederten Rehabilitationsrecht können verschiedene Leistungsträger für die Finanzierung von Bedarfen von Menschen mit Autismus zuständig sein: Die Träger der Eingliederungshilfe, die Träger der Jugendhilfe, die Bundesagentur für Arbeit, die gesetzlichen Krankenkassen und die Rentenversicherung.
Im Workshop wird herausgearbeitet, wie angesichts dieser unterschiedlichen Zuständigkeiten zielführende Anträge auf Leistungen gestellt werden können, um die Teilhabe für Menschen mit Autismus umfassend sicherzustellen.
Christian Frese, seit 2004 Justiziar und Geschäftsführer von autismus Deutschland e.V. in Hamburg. Zuvor mehrere Jahre als Rechtsanwalt in Karlsruhe tätig, unter anderem mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Sozialrecht.
Autismus weiterdenken – mit der ICF
Andreas Seidel
Während die ICD-10 Autismus als kategorial definierbares Krankheitsbild beschreibt, wird im DSM-5 sowie in der ICD-11 Autismus als dimensionale Störung verstanden. Manche Fachkräfte, besonders aus pädagogischen und sozialen Arbeitsfeldern, und Vertreter*innen der Selbsthilfe lehnen den Begriff der (Autismus-Spektrum-) Störung (ASS) ab und verweisen auf das Konzept der Neurodiversität. Wie Autismus beschrieben und verstanden wird, ist oft mit unterschiedlichen Haltungen und Konzepten von Gesundheit und Behinderung verknüpft. Therapie- und Förderziele von und für Menschen mit ASS sowie die entsprechenden Maßnahmen sind oft sehr individuell und meist stark kontextabhängig.
Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der WHO wurde als Mehrzweckklassifikation für verschiedene Disziplinen und Anwendungsbereiche entwickelt. Mit ihr ist eine individuelle Beschreibung des Gesundheitszustandes von Menschen unter Einbeziehung von Umweltfaktoren möglich. Die WHO stellt mit der ICF eine gemeinsame Sprache zur Verfügung, um die Kommunikation zwischen verschiedenen Benutzer*innen, wie Fachkräften, einschließlich Menschen mit Behinderungen, zu verbessern.
Alle Förderpläne in Autismus-Förder-/Therapie-Zentren (im Rahmen der Eingliederungshilfe) müssen mit einem ICF-orientierten Bedarfsermittlungsverfahren erstellt werden. Für alle Rehabilitationsträger (also auch die GKV sowie die Träger der öffentlichen Jugendhilfe) in Deutschland gilt, dass eine individuelle und funktionsbezogene Bedarfsermittlung mit standardisierten Instrumenten zu erfolgen hat.
Erste Forschungsarbeiten mit der ICF im Themenbereich Autismus geben Hinweise, dass die ICF in der Praxis sowohl für Fachkräfte als auch für Betroffene gewinnbringend sein kann. Im Workshop soll die Bedeutung der ICF für die Versorgung bei ASS vorgestellt sowie ihre mögliche Anwendung in der Praxis gezeigt werden. Gerne kann dies anhand von praktischen Beispielen der Workshopteilnehmer*innen erfolgen
Andreas Seidel arbeitet als Professor für Sozialpädiatrie an der Hochschule Nordhausen sowie als Psychotherapeut für Kinder und Jugendliche. Mit dem Thema Autismus beschäftigt sich der Kinder- und Jugendarzt mit dem Schwerpunkt Neuropädiatrie bereits seit vielen Jahren. Hauptinteressengebiet ist die ICF der WHO bei Entwicklungs- und psychischen Störungen.
Partizipative Forschung im Kontext von Autismus
Silke Lipinski & Eva Stucki
In diesem Workshop werden wir die Prinzipien und Methoden der partizipativen Forschung generell, aber insbesondere im Kontext von Autismus erkunden. Wir möchten Forschenden, Fachpersonen und Menschen im Autismusspektrum sowie diesen Nahestehenden sowohl einen Überblick als auch konkretes Wissen an die Hand geben, wie Zusammenarbeit im wissenschaftlichen Kontext gewinnbringend gelingen kann. Ziel ist es, eine inklusive und kooperative Herangehensweise an die Forschung realisieren zu können und damit zu besseren Forschungsergebnissen, mehr epistemischer Gerechtigkeit und einer an der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ausgerichteten Forschungspraxis beizutragen.
Wir beginnen mit einer Einführung in die Hintergründe und Grundlagen der partizipativen Forschung, gefolgt von Fallstudien, die erfolgreiche Projekte und deren Auswirkungen auf die Gemeinschaft beleuchten. Der Workshop bietet dann eine Übersicht über konkrete Methoden zur Einbeziehung von autistischen Personen in die verschiedenen Stufen des Forschungsprozesses –von der Antragstellung bis zur Dissemination. Außerdem werden Planungstools und Bewertungskriterien vorgestellt.
Teilnehmende haben die Möglichkeit, zu diskutieren, wie partizipative Ansätze gewinnbringend in die eigene Arbeit integriert werden können. Ziel ist es, durch konkretes Handwerkszeug Barrieren abzubauen, und damit neue Wege zu eröffnen, Forschung nachhaltig zu gestalten.
Silke Lipinski ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin in der Arbeitsgruppe ‚Soziale Kognition’ und Referentin für Patient and Public Involvement (PPI). Als solche ist sie Koordinatorin des „Center for PPI“ des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit (DZPG), welches sowohl politische Partizipation als auch partizipative Forschung zentrumsübergreifend implementiert. Gleichzeitig ist Silke Lipinski Sprecherin des Trialogischen Zentrumsrats des DZPG und Vorstand von Aspies e.V.
Gemeinsam mit der Berliner Autismus-Forschungs-Kooperation (AFK), die seit 2007 besteht, hat sie zahlreiche co-kreative Studien durchgeführt. Momentan leitet sie die erste nutzer-geleitete bundesweite Studie zur Forschungsbedürfnissen von Menschen mit psychischen Schwierigkeiten und ihnen nahestehenden Personen des DZPG: „KOMMIT – Forschungskompass Mentale Gesundheit“.
Eva Stucki ist Klinische Heilpädagogin und arbeitet in der frühen Förderung von Kindern im Autismus-Spektrum. Begleitend zu ihrer Berufstätigkeit studiert sie im Master Psychologie an der Universität Bern, ist aktives Mitglied im Partizipativen Forschungsnetzwerk Autismus Schweiz (PFAU) und hat eine Vorstandstätigkeit bei „Aspies Deutschschweiz“. Als Autistin ist es ihr wichtig, der Innenperspektive und dem Erleben von Personen im Spektrum mehr Gewicht zu geben, sowie die Forschung an den Bedürfnissen der Personen im Spektrum zu orientieren.
Förderung der Sprachentwicklung mit dem Frankfurter Frühinterventionsprogramm A-FFIP
Dr. Ziyon Kim, M.A. Susanne Hansen
Eine verzögerte oder stagnierende Sprachentwicklung sowie Schwierigkeiten in der Kommunikation sind bei Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) ein Kernsymptom. Dabei zeigt sich ein breites Spektrum: Kinder, die (noch) keine gesprochene Sprache entwickelt haben bis hin zu Kindern, die gute sprachliche Fähigkeiten besitzen, diese jedoch nicht verlässlich zur Kommunikation einsetzen. Sprache eröffnet zahlreiche Möglichkeiten für weitere Lernprozesse. Z.B. die Fähigkeit sich mitzuteilen, Wünsche zu äußern, Grenzen zu benennen oder Hilfe einzufordern sind zentral für die kindliche Entwicklung, ebenso wie der kommunikative Austausch mit anderen. Unter Berücksichtigung autismusspezifischer Besonderheiten werden in diesem Workshop entwicklungspsychologische Grundlagen sowie praktische Techniken zur Unterstützung des Spracherwerbs, der Erweiterung sprachlicher Fähigkeiten sowie wesentliche Aspekte der Kommunikationsgestaltung erläutert. Dabei werden alltagspraktische Übungen zur Förderung gemäß dem Frankfurter Frühinterventionsprogramm (AFFIP) dargestellt und Möglichkeiten der Umsetzung anhand von praktischen Fallbeispielen verdeutlicht. Der Workshop richtet sich vorrangig an interessierte Fachpersonen und Therapeuten aus dem Frühförderbereich.
Dr. Ziyon Kim ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Therapeutin im Autismus-Therapie- und Forschungszentrum des Universitätsklinikums Frankfurt am Main tätig. Neben der therapeutischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit Autismus und ihren Familien leitet sie als Projektmanagerin die DFG-geförderte A-FFIP Studie. In diesem Rahmen unterstützt sie die Schulungen externer Zentren zur praktischen Umsetzung des A-FFIP Manuals sowie die Evaluationsprozesse. Sie studierte Psychologie in Seoul, Korea und promovierte im Bereich der Entwicklungspsychologie in Frankfurt zu Imitation bei Kleinkindern. Ihr Interessensschwerpunkt liegt auf den frühkindlichen Vorläuferfertigkeiten, die im Rahmen von Autismus besonders bedeutsam sind.
M.A. Susanne Hansen ist Erziehungswissenschaftlerin und approbierte Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche. Sie ist seit 2013 im Autismus-Therapie- und Forschungszentrum der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Goethe-Universität Frankfurt als Therapeutin für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Autismus-Spektrum-Störung tätig. Seit vielen Jahren ist sie fester Bestandteil des Diagnostik-Teams und schult regelmäßig Fachpersonen in diesen Verfahren. In Kindergärten und Schulen berät sie außerdem Lehrer*innen und Erzieher*innen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit Autismus-Spektrum-Störungen. Nebenher ist sie in einer Privatpraxis tätig. Ehrenamtlich engagiert sie sich als zweite Vorsitzende im Frankfurter Verein zur Unterstützung von psychisch kranken Kindern und Jugendlichen e.V.
Projekt Impact – ein NDBI-basiertes Elterncoaching zur Förderung der Kommunikations-, Imitations- und Spielkompetenzen
Isabella Collins
Der Workshop bietet eine Einführung in das NDBI-basierte Elterncoaching-Programm „Project Impact“. Dieses Programm wurde von Brooke Ingersoll und Anna Dvortcsak entwickelt und richtet sich an Eltern von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen und damit verbundenen Kommunikationsverzögerungen. Es vermittelt praxisnahe Strategien, mit denen Eltern ihrem Kind helfen können, Kommunikations-, Imitations- und Spielkompetenzen im Alltag zu entwickeln. Basierend auf neuesten Forschungsergebnissen der Entwicklungspsychologie und der angewandten Verhaltensanalyse ermöglicht „Project Impact“ es Eltern, die Entwicklung ihres Kindes zu fördern und positive Veränderungen zu bewirken.
Dr. Isabella Collins ist Psychologin an der Fachstelle für Autismus der Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel und Lehrbeauftragte an der Fakultät für Psychologie der Universität Basel. Sie hat 2022 die Approbation als Psychologische Psychotherapeutin erhalten.
Autismus und Beruf
Julia Proft & Julia Espelöer
Häufig sind nicht fehlende fachliche Kompetenzen, sondern Herausforderungen in der sozialen Interaktion und Kommunikation sowie eine besondere sensorische Wahrnehmung die Faktoren, die zu Schwierigkeiten im Berufsleben vieler Menschen im Autismus-Spektrum führen. Auftreten und Ausprägung aller als autistisch geltenden Merkmale können individuell variieren. In vielen Fällen können sich hieraus spezielle Anforderungen an einen Arbeitsplatz ergeben. Im Rahmen des Workshops erhalten die Teilnehmenden zunächst einen Überblick über mögliche Auswirkungen von Autismus im Erwachsenenalter auf die gesellschaftliche und berufliche Teilhabe. Einflussfaktoren, die sich hinderlich oder förderlich auf eine berufliche Tätigkeit auswirken können, werden vorgestellt und diskutiert. Des Weiteren werden anhand des Kölner Modellprojektes Einblicke in Maßnahmen der beruflichen Förderung und Eingliederung gegeben. Das Kölner Modellprojekt, an dem der Landschaftsverband Rheinland, das Inklusionsunternehmen ProjektRouter gGmbH und die Uniklinik Köln beteiligt sind, bietet konkrete Unterstützungsmöglichkeiten für Betroffene und Arbeitgeber*innen. Anhand von Fallbeispielen aus der Praxis sollen Unterstützungsmaßnahmen für die Bereiche berufliche (Wieder-)Eingliederung und berufliche Sicherung diskutiert und Erfahrungen ausgetauscht werden.
Dr. Julia Proft ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Spezialambulanz für Autismus im Erwachsenenalter der Uniklinik Köln. In ihrer Forschung fokussiert sie auf die berufliche Integration von Menschen mit Autismus-Spektrum Störung. Von 2014 bis 2017 begleitete sie das Modellprojekt „Autismus und Beruf“ (LVR, Uniklinik Köln, ProjektRouter gGmbH). Als freiberufliche Mitarbeiterin unterstützte sie u.a. in Form von Coaching- und Beratungsangeboten autistische ArbeitnehmerInnen und deren ArbeitgeberInnen.
Dr. Julia Espelöer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Spezialambulanz für Autismus im Erwachsenenalter der Uniklinik Köln. In ihrer Forschung fokussiert sie auf die berufliche Integration von Menschen mit Autismus-Spektrum Störung. Von 2017 bis 2021 begleitete sie das Modellprojekt „Autismus und Beruf“ (LVR, Uniklinik Köln, ProjektRouter gGmbH). Als freiberufliche Mitarbeiterin unterstützte sie u.a. in Form von Coaching- und Beratungsangeboten autistische ArbeitnehmerInnen und deren ArbeitgeberInnen.
Frühe Diagnostik von Autismus-Spektrum-Störungen bei Kleinkindern -Je früher je besser?
Inge Kamp-Becker & Luise Poustka
Erste Symptome einer Autismus-Spektrum-Störung bemerken Eltern oft schon im ersten oder zweiten Lebensjahr ihres Kindes, jedoch dauert es bis zur korrekten Diagnosestellung in Deutschland durchschnittlich 6 ½ Jahre (± 37 Monate) und ist im Vergleich zu anderen Ländern sehr spät. Bekannt ist, dass eine frühe Diagnose bei Kindern mit einem früheren Beginn der Interventionen und damit mit einem besseren Outcome im Schulalter einhergeht. Daher besteht dringender Handlungsbedarf diese Situation in Deutschland zu verbessern. In diesem Workshop wollen wir allen Interessierten, die mit jungen Kindern arbeiten, grundlegende Kenntnisse bezüglich der Frühdiagnostik des Autismus vermitteln. Dabei geht es darum, zu klären warum eine frühe Diagnose wichtig ist. Bei wem ist eine frühe Diagnostik sinnvoll und ab welchem Alter kann die Diagnose oder der Verdacht auf Vorliegen von Autismus gestellt werden. Welche Auffälligkeiten und Symptome sind dabei relevant und sollten daher intensiv in Betracht gezogen werden? Mit welchen diagnostischen Methoden sollte vorgegangen werden? Entsprechende Screening-Verfahren sowie Verhaltensbeobachtungsmethoden werden vorgestellt, diskutiert und geübt anhand von Demonstrationen, Fallbeispielen, Videomaterial usw.
Prof. Dr. Inge Kamp-Becker ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie – und Psychotherapie, Universitätsklinikum Heidelberg und beschäftigt sich seit über 20 Jahren sowohl in wissenschaftlicher, als auch klinischer Sicht mit der Thematik Autismus-Spektrum-Störungen. Sie hat lange Jahre eine Spezialambulanz für Autismus-Spektrum-Störungen geleitet und koordiniert mehrere multizentrische Forschungsprojekte. Bei ihrer Forschung handelt es sich um klinisch relevante Forschungsfragen, die die frühe, valide Identifikation und Behandlung von Autismus zum Ziel haben. Sie ist zertifizierte ADOS-Trainerin und beschäftigt sich insbesondere mit diagnostischen, differentialdiagnostischen und therapeutischen Aspekten des Störungsbildes Autismus. Sie ist Mitglied der Steuergruppe der AWMF- S3- Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der Autismus-Spektrum-Störungen und Vorstandsmitglied der wissenschaftlichen Gesellschaft für Autismus.
Prof. Dr. Luise Poustka ist Ärztliche Direktorin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie – und Psychotherapie am Universitätsklinikum Heidelberg. Ihr klinischer und wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt auf der Erforschung und Behandlung von Autismus-Spektrum-Störungen und sozialer Interaktion. Der Fokus aktueller Studien liegt auf der multidimensionalen Früherkennung von Neuroentwicklungsstörungen ab dem Säuglingsalter bei Kindern mit genetischer Belastung und auf Frühintervention und Kombinationstherapien. Sie ist ausgebildete Verhaltenstherapeutin und Supervisorin, Mitglied der Steuerungsgruppe der Deutschen S3-Leitlinien für Autismus-Spektrum-Störungen, Vorstandsmitglied der wissenschaftlichen Gesellschaft Autismus Spektrum (WGAS) und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (DGKJP). Wissenschaftliche Konsortien: Deutsches Forschungsnetz Psychische Erkrankungen ASD-Net (www.wgas.org), EU-AIMS ( https://www.kcl.ac.uk/research/eu-aims-european-autism-interventions), IMAGEN; Berufenes Mitglied der ExpertInnengruppe „Gesundheit und Resilienz“ des Bundeskanzleramts.